Thomann Interview
Aloah AENEMICA! Euer Name liegt gefährlich nahe am Schrift- und Klangbild von Anemia, dem englischen Wort für eine gewisse Form der Blutarmut. Was hat es mit eurem Namen auf sich? Wie habt ihr ihn ´gefunden´? Was bedeutet er?
JOHN (Drums): Du hast gut recherchiert. Die Verbindung zu Blutarmut stellen die wenigsten her. Viele tun sich sogar schwer damit, Aenemica richtig auszusprechen, weshalb wir bereits mit dem Gedanken gespielt haben, die Lautschrift unter das Logo auf unseren T-Shirts zu drucken, haha. Aenemica ist ein Kunstwort, das für uns eine ganz spezielle Bedeutung hat, und es setzt sich aus den beiden Wörtern „Anemia“ und „Mica“ zusammen. „Anemia“ bedeutet, wie du schon richtig angemerkt hast, Blutarmut. Dass heißt, der Blutkreislauf und das Herz funktionieren nicht richtig. Diese Fehlfunktion äußert sich durch Symtpome wie Ermüdungserscheinungen und Luftknappheit. „Mica“ kann man aus dem Englischen mit „Glimmer“ übersetzen. Die Glimmer, auf die wir anspielen, findet man oft in Gesteinen, und sie sind im Volksmund auch als „Katzengold“ bekannt. Katzengold ist, wie der Name verrät, kein echtes Gold, sondern eine Täuschung. Man lässt sich davon leicht blenden. Wir übersetzen „Aenemica“ daher mit „falsches Herz“ oder „Herz aus Stein“. Unser Bandname kann durchaus als sozialkritischer Kommentar auf eine Gesellschaft verstanden werden, die immer gefühlskälter wird, abstumpft, nach falschen Idealen strebt und in der Betrügereien fast schon zum guten Ton gehören. Die Krankheit ist der Mensch selbst. Er ist schuld an der negativen Entwicklung, weil er zu sehr darauf bedacht ist, eine Fassade aufrecht zu erhalten, anstatt seine Verhaltensweisen zu reflektieren und an seiner und der Genesung aller zu arbeiten.
Und wie hat sich die Band gefunden? Ihr seid immerhin zu fünft. Erzählt uns etwas aus der ´Gemütslage der Gründung´ von AENEMICA und stellt uns bitte die Mitglieder der Band vor!
JOHN (Drums): Die Band existiert seit Oktober 2012 und war anfangs ein Side-Project von David (Guitars) und mir. Zu der Zeit, nachdem sich unsere Bands aufgelöst hatten, haben wir gemeinsam in einer Bandformation mitgewirkt, in der wir uns aber musikalisch nicht wirklich verstanden gefühlt haben. Denn: Wir sehen Musik als kreativen Austausch. Jeder sollte die Chance bekommen sich musikalisch mit einzubringen ohne dabei das zwischenmenschliche aus den Augen zu verlieren. So fingen wir an, an eigenen Kompositionen zu arbeiten und stellten schnell fest, dass wir selbst was auf die Beine stellen müssen, um musikalisch das machen zu können was uns selbst glücklich macht. Gesagt, getan! Wir verließen die Band, weil unser Anspruch hier nicht umzusetzen war und ergänzten uns recht schnell mit Dima (Bass) und Fabio (Guitars), die wir bereits schon aus anderen gemeinsamen Band-Projekten kannten. Daniel (Vocals) fanden wir schließlich über einen lokalen Radiosender, der zu dieser Zeit über mehrere Wochen einen Sing a Song Contest ausstrahlte, an dem Daniel teilnahm. Wir schickten ihm ein paar Demo-Aufnahmen von uns zu, mit der Bitte sich das Material doch mal anzuhören. Keine zwei Stunden später konnten wir Daniel als Frontmann verpflichten. Der Rest ist Geschichte ;D
Wie sieht es in und um Iserlohn aus? Kleine Rockcity mit intakter (Indie-)Community, oder braches Land, was den Gitarren-Starkstrom anbetrifft?
JOHN (Drums): Gute Frage (lacht). Für die relativ kleine Stadt Iserlohn ist die Szene recht groß! Über Förderung seitens Veranstalter, Clubbesitzer oder Festivalbetreiber kann man sich wirklich nicht beschweren. Ganz im Gegenteil: Die Musikszene wird hier in unserer Region relativ gut unterstützt. Obwohl, und das muss man dazu sagen, die Anzahl der Live Bands wirklich gering ist im Vergleich zu anderen Städten.
Kommen wir zu eurem aktuellen Clip „Empty Inside“, der „based on true events“ ist, wie ihr im Vorspann erwähnt. Wer oder was wird in diesem Video betrauert? Wie sehen die „true events“ aus, die Geschichte hinter den Filmbildern? Und was hat es mit dem Schlüssel auf sich?
AENEMICA: Der Song „Empty Inside“ und der dazugehörige Videoclip greifen eine Tragödie auf, die sich in unserem Umfeld zugetragen hat. Song und Videoclip sind ein Nachruf und unsere Art, dieses traumatische Erlebnis zu verarbeiten. Inhaltlich greift der Song die unterschiedlichen Phasen der Trauer auf, die wir durchlebt haben. Angefangen beim Schock und der Leugnung der Ereignisse, über die Depression, bis hin zur Einsicht, dass das Leben weitergeht, egal wie groß der Schmerz auch sein mag. Der Schlüssel ist eine Metapher dafür, dass die Person die Vergangenheit hinter sich lassen möchte.
Als neue Band war die Clip-Produktion sicher eine spannende Angelegenheit, da ihr so etwas nicht schon X-Mal durchgezogen habt. Beschreibt uns eure Eindrücke!
AENEMICA: Wir haben uns im Großen und Ganzen auf den Videodreh gefreut. Einerseits waren wir natürlich etwas angespannt, weil es für einige von uns der erste Videodreh gewesen ist. Anderseits war es spannend und faszinierend, zu sehen, wie sich die Location z. B. durch den gezielten Einsatz von Licht verwandelt. Außerdem wollten wir gut vorbereitet am Set erscheinen, weil wir wussten, dass wir so weniger nervös sein würden. So übte z. B. nicht nur jeder mit seinem Instrument, sondern wir studierten gemeinsam unsere Performance ein. Wir wollten alles rauslassen, alleine schon, um dem Song inhaltlich gerecht zu werden. Alles in allem war der Tag emotional aufreibend, anstregend, aber genauso erfüllend.
Eigenregie und -produktion? Oder cleveres Team? Wer hat was bei der Produktion gestemmt?
AENEMICA: Wir haben den Videoclip gemeinsam mit Regisseur Sebastian Wiegmann (gleichnamige Website!) und seinem Team realisiert. Sebastian und sein Team sind Freunde der Band und wir hatten von Anfang an vor, die Videoproduktion zu einer ´family affair´ zu machen. Die Produktion des „Empty Inside“ Musikvideos haben wir Hand in Hand durchgezogen. Dass heißt, Sebastian hat gemeinsam mit uns die Story für den Clip geschrieben, Locations gesucht und überlegt, wie wir die Atmosphäre schaffen, die dem Clip zugrunde liegen sollte. Anschließend hat sich jeder auf das konzentriert, was er am besten kann: Wir haben den Song performt. Sebastian hat dafür gesorgt, dass wir dabei gut aussehen. DP Yvo Mathes hat schöne Bilder gedreht und Lichtdesigner Marcel Zink für die beeindruckende Ausleuchtung gesorgt. Ganz besonderer Dank gilt unserer Darstellerin Kim Henneke, die uns alle mit ihrer Performance berührt hat.
Was werdet ihr bei weiteren Official Clips definitiv anders machen?
AENEMICA: Den Regisseur austauschen! Nein, Spaß, haha. Für den Moment sind wir mit dem Ergebnis des „Empty Inside“ Videoclips vollends zufrieden. Wir denken im Moment noch nicht an die Produktion eines weiteres Musikvideos. Stattdessen konzentrieren wir uns verstärkt auf das Songwriting der kommenden Platte. Sollten wir einen weiteren Videoclip drehen, werden wir jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit auf Sebastian und seine Jungs zurückgreifen.
Und wie läuft das Songwriting bei euch? Bandprobe bis es „Baaaang!“ macht, Akkustiksession eines jeden einzelnen, bis eine Hook zum Vorschein kommt, oder wird dezentral in der Cloud geschichtet, bis ein Gerüst zum Vorschein kommt, mit dem es dann gemeinsam zur Produktion kommt?
DAVID (Guitars): Grundsätzlich läuft das Songwriting zwischen John, Daniel und mir ab. Es fängt meist damit an, dass uns eine Idee kommt, vielleicht von zwei oder drei zusammenhängenden Parts, die wir dann aufnehmen und/oder tabben. Danach treffen wir uns im Proberaum, gehen die einzelnen Parts durch und entscheiden dann was davon wirklich zu gebrauchen ist. Meistens nehme ich nach den Proben den Fortschritt, den wir gemacht haben, direkt auf und versuche dann zuhause daran weiterzuarbeiten. Im Prinzip arbeiten wir uns von einem Part zum nächsten und schauen, dass wir dabei den Fluss nicht verlieren. Wenn also alle Parts ein Gerüst ergeben, geht?s zunächst um den Gesang. Wir treffen uns mit Daniel, der für den zu bearbeiteten Song meist schon Ideen gesammelt hat und arbeiten dann daran, was schon mal mehrere Tage und Nächte dauern kann. Abschliessend kümmern wir uns um die Feinheiten, John arbeitet seine Drumspur aus, woraufhin die Gitarren eventuell nochmals angepasst werden müssen. Wenn das alles abgeschlossen ist, sind wir soweit, dass wir den fertigen Song mit ins Studio nehmen können, so dass wir uns in Ruhe auf die Aufnahmen konzentrieren können.
Mit welchem Equipment realisiert ihr eure ´Wall Of Sound´? Nehmt uns mit auf einen Rundgang durch die Hard- & software!
DAVID (Guitars): Da wir einen modernen Sound fahren wollen, haben wir uns für die Digitale Variante entschieden. Fabio und ich spielen beide Mayones Regius 7 Custom mit Painkiller bzw. Aftermath Pickups von Bareknuckle Pickups über den Fractal Axe-Fx Ultra, verstärkt durch die Mackie HD1221. Dima hat sich für den Line6 Pod X3 Pro entschieden, da er eine größere Auswahl an Bass Sounds bereitstellt, und nutzt ihn über eine 4x12er Hartke Box. Es ermöglicht uns ziemlich bequem zuhause Ideen über DI aufzunehmen und vor allem mit Sounds zu experimentieren ohne einen Haufen an Fußtretern zu besitzen. John spielt über ein DDrum getriggertes Sonor S Class Maple Kit, welches wir via Midi über den Superior Drummer von Toontrack ansteuern, um gegebenenfalls Schlagzeugideen festhalten zu können. Spectrasonics, Omnisphere sowie Trilian nutzen wir für sämtliche Soundeffekte, Synthesizer- und alle unterstützenden Bass Sounds.
Wie schafft ihr das finanziell? Gutes Equipment gibt es nicht für Spielgeld!
AENEMICA: Verzicht bringt viele finanzielle Vorteile.
AENEMICAs Topp-Drei-All-Time-Favourites heißen:
AENEMICA:Favoriten haben wir speziell keine, allerdings gibt es einige Bands und natürlich auch Musiker die uns in unserer Entwicklung beeinflusst haben. Zu nennen wären da hauptsächlich die Bands Anathema, Karnivool und Periphery.