AENEMICA

STRIKE! The Magazine – Interview

STRIKE! THE MAGAZINE INTERVIEW

AENEMICA
Interview mit John Sternberg

Eine deutsche Band, die versucht, aus diversen Stilmitteln ihren eigenen Bandsound zu zaubern, ohne sich auf ein Genre festzulegen, taucht heutzutage auch nicht mehr so häufig auf der Bildfläche auf. AENEMICA sind so eine Band, die mit ihrer ersten EP zudem bereits begeistern kann. Daher war ein Interview, das wir schließlich mit Drummer John Sternberg geführt haben, fast unumgänglich.

Hallo John, ich habe in meiner Kritik geschrieben, dass bei Euch die Einflüsse zwischen klassischem Prog Metal (FATES WARNING, ENCHANT), etwas modernerer Spielweise (PERIPHERY, INTERVALS) und sogar exzellentem Alternativ Rock (RED, CROSSFADE) schwanken. Erst einmal Glückwunsch zu diesem erlesenen Geschmack, aber verteilt sich dieser denn auf die einzelnen Bandmitglieder oder hat jeder von Euch einen bunten Geschmack?

Wir haben alle vielfältige musikalische Einflüsse und versuchen diese – bewusst und unbewusst – in diese Band mit einzubeziehen. Wenn wir Songs schreiben, ist es nicht so, dass wir analytisch rangehen oder dass wir zum Beispiel sagen „Hey, wir müssen jetzt in die Djent Ecke gehen“. Die Musik passiert bei uns einfach. Wenn man natürlich die Einflüsse jedes Einzelnen finden will, findet man diese auch (Du bist dafür ein gutes Beispiel), aber es ist auf jeden Fall zu großen Teilen eigenständig und man erkennt den „AENEMICA-Sound“, es ist etwas, das schon eine eigene Note hat. Aber es gibt kein Tauziehen um die jeweiligen Musiksparten. Wir sind schon immer begeisterte Anhänger von Dynamik gewesen. Es gibt AENEMICA Songs die sehr intim, sehr ruhig und leise sind, aber eben auch Songs, die dir in den Arsch treten und nach vorne gehen. Das mögen wir und wir lassen uns ansonsten wirklich treiben. Wir sind für alles offen, versperren uns vor nichts. Der Weg ist das Ziel.

Wenn wir schon dabei sind, kannst Du uns ja die einzelnen Bandmitglieder mal vorstellen und in welchen Gruppen Ihr alle zuvor aktiv wart?

Da wäre David, der zuvor Lead Gitarrist in einer lokalen, hier sehr bekannten Rock Band namens CHASING CAROLINE war und sich in dieser Zeit mit einem Songwriter Projekt unter dem Namen IN MY ABSENTIA verwirklichte.

Ich spielte in einer, auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten Progressive Power Metal Band namens PERFECT SYMMETRY. Wir spielten unter anderem mit APOPTYHMA BEZERK, AMORPHIS, NEGATIVE, DIE HAPPY, MEGAHERZ etc., scheiterten dann allerdings an einem bevorstehenden Labeldeal.

Nachdem sich unsere Bands aufgelöst hatten, haben David und ich gemeinsam in einer Bandformation mitgewirkt, in der wir uns aber musikalisch nicht wirklich verstanden gefühlt haben. Wir sehen Musik als kreativen Austausch. Jeder sollte die Chance bekommen, sich musikalisch mit einzubringen ohne dabei das zwischenmenschliche aus den Augen zu verlieren. So fingen wir an, an eigenen Kompositionen zu arbeiten und stellten schnell fest, dass wir selbst was auf die Beine stellen müssen, um musikalisch das machen zu können was uns erfüllt. Wir verließen die Band, weil unser Anspruch hier nicht umzusetzen war und ergänzten uns dann recht schnell mit Bassisten Dima, der zuvor in einer, hier in der Szene bekannten Metalcore-Band namens COMETH OF INDRA spielte und mit Gitarrist Fabio, den wir sozusagen aus einer Cover Rock-Band befreiten, die nicht wirklich den Anspruch hatte, seine Fähigkeiten zu nutzen.

War Euer Sänger Daniel auch mal in einer Prog Rock-Band aktiv, weil er irgendwie wie geschaffen dafür klingt?

Daniel hatte vor dem Einstieg bei AENEMICA mehrere Pop & Rock-Projekte in denen er mitwirkte, aber sonst nicht wirklich viel Erfahrung im Bereich Progressiver Musik sammeln konnte. Wir wurden über einen lokalen Radiosender, der mehrere Wochen einen ´Sing a Song´-Contest ausstrahlte, an dem Daniel teilnahm und auch gewann, auf ihn aufmerksam. Uns fiel sofort auf, dass er eine sehr charakteristische Stimme hat, die perfekt zu den schon vorhandenen Strukturen unserer Songs passen würde. Ich nahm mit ihm Kontakt auf und schickte ihm ein paar Demo-Aufnahmen von uns zu, mit der Bitte, sich mit dem Material auseinanderzusetzen und mich infolge zu kontaktieren. Keine zwei Stunden später konnten wir Daniel als Frontmann für AENEMICA verpflichten.

Wann reifte letztlich Euer Entschluss, gemeinsam eine neue Band auf die Beine zu stellen?

David hatte diese Vision einer modern klingenden Metal-Band mit leicht verdaulichen Prog Rock-Elementen und es passte sehr gut zu meinem Drumming, so dass er schnell zur Frage kam, ob wir es nicht gemeinsam probieren wollen. Vor der ersten gemeinsamen Probe haben wir beide dann viel diskutiert, was man machen kann, damit keine weitere Band entsteht, die wie MONUMENTS, ENCHANT oder TESSERACT klingt. Wir wollten was Besonderes erschaffen, polarisieren und auffallen und uns dennoch treu bleiben. Bei uns wurde im Vorfeld viel, vielleicht zu viel nachgedacht und diskutiert. Uns war klar, dass eine Band als Team funktionieren muss, jeder sollte seine Rollen und Aufgabenverteilung kennen und gelernt haben mit der Diversität im eigenen Team umzugehen. Wir haben uns auch nicht davor gescheut, jedem weiteren Musiker schon vor Eintritt der Band darüber zu informieren, das finanzielle Mittel für Equipment, Studio, Artwork, Presswerk etc. von jedem einzelnen zu tragen sind. Das klingt vielleicht alles sehr wirtschaftlich, aber mit der 70er Jahre Rock n Roll Mentalität wird man es wohl heute kaum noch aus dem Proberaum auf die Bühne schaffen. Ohne Input kein Output!!!

Ist dann Euer Band-Sound auf natürliche Weise entstanden oder arbeitet Ihr bewusst darauf hin?

Am Anfang war uns gar nicht klar wohin uns unsere musikalische Reise führen würde, gerade weil jeder einzelne von uns, von so unterschiedlichen Genres beeinflusst ist. Aber es ist immer gut sich weiterzuentwickeln, indem man mit anderen Genre-Musikern zusammenarbeitet. Andere Einflüsse aufnehmen. Oberflächlich gesehen nimmt man das in der ersten Zeit vielleicht gar nicht so wahr, aber unterbewusst passiert ganz viel. Das merkt man teilweise erst bei der nächsten Komposition. Sobald man seinen Horizont erweitert und andere Einflüsse zulässt, bringt einen das wahnsinnig weiter. Natürlich hat es wirklich einige Proben bzw. Songs gedauert bis wir uns wirklich einig waren und gesagt haben: ‚Ok, das ist cool, das ist der Sound und die Art von Musik, mit der wir uns gemeinsam als Band identifizieren können. Natürlich bleiben Meinungsverschiedenheiten nicht aus, gerade in Bezug auf persönliche, musikalische Vorlieben und Interessen. Aber ich denke unsere Herangehensweise ist eine andere wie bei herkömmlichen Bands. Wir versuchen die verschiedenen Stile zu filtern, Einflüsse jedes einzelnen mit einzubeziehen und Ideen zu verschmelzen, ohne darauf Wert zu legen wie Band XY zu klingen. Das hat AENEMICA auf jeden Fall weitergebracht.

… und wie entstehen dann schließlich die Songs?

Grundsätzlich läuft das Songwriting zwischen David, Daniel und mir ab. Es fängt meist damit an, dass uns eine Idee kommt, vielleicht von zwei oder drei zusammenhängenden Parts, die wir dann aufnehmen und/oder tabben. Dann treffen wir uns im Proberaum, gehen die einzelnen Parts durch und entscheiden dann was davon wirklich zu gebrauchen ist. Meistens nimmt David nach den Proben den Fortschritt, den wir gemacht haben direkt auf und versucht zuhause daran weiterzuarbeiten. Im Prinzip arbeiten wir uns von einem Part zum nächsten und schauen, dass wir dabei den Fluss nicht verlieren. Wenn also alle Parts ein Gerüst ergeben, geht´s zunächst um die Gesangsline. Wir treffen uns mit Daniel, der für den zu bearbeiteten Song meist schon Ideen gesammelt hat und arbeiten diese dann aus, was schon mal mehrere Tage und Nächte dauern kann. Abschließend kümmern wir uns um die Feinheiten. Ich arbeite meine Drumspuren aus, woraufhin die Gitarren und der Bass eventuell nochmals angepasst werden müssen. Wenn das alles abgeschlossen ist, sind wir soweit, dass wir den fertigen Song mit ins Studio nehmen, so dass wir uns in Ruhe auf die Aufnahmen konzentrieren können.

Waren die Songs von Eurer EP die allerersten Songs oder habt ihr die besten aus einem Pool von Songs ausgewählt?

Geplant war die EP in dieser Form nicht, ganz im Gegenteil. Ich weiß, die Anzahl der Songs wirken im ersten Moment wirklich überschaubar, fast sogar enttäuschend, aber zum Glück zählt nicht die Quantität, sondern die Qualität. Die Vorbereitungen und Aufnahmen zum eigentlich geplanten Album wurden aber überschattet von einer Aneinanderreihung unglücklicher Umstände.

Geplant war ein Album mit einem maximalen Set von zwölf Songs und einer Spielzeit von ca. 45 Minuten, doch schon in den Studiovorbereitungen erlitt David einen Bandscheibenvorfall und keine drei Wochen später durchtrennte sich Fabio zwei Sehnen seiner rechten Hand. Wir verloren wertvolle Zeit und kürzten bereits schon da unser Ziel Set von zwölf auf zehn Songs runter, doch es sollte noch schlimmer kommen. Während den Aufnahmen zu ´Empty Inside´ stürzte ich im Studio über eine Monitorbox und zertrümmerte mir mein Oberarmkopfgelenk. Das bedeutete sechs Monate Bandpause für mich. Wir wollten aber nicht mehr länger warten, alles erschien uns schon so weit weg, und nahmen das bereits eingespielte Material und veröffentlichten dieses dann als 7-Track-EP.

Wie sind denn bisher die Reaktionen ausgefallen, gibt es auch vollkommen negative Kritiken?

Zum einen ist es natürlich unser Baby und man möchte es vor jedem kritischen Wort schützen. Aber zum anderen ist es wohl unmöglich, etwas zu schreiben, was wirklich jedem gefällt. Wir freuen uns über jedes positive Feedback, wovon es schon eine Menge gab, überraschend auch von großen Rock und Metal Magazinen mit dessen Beurteilungen wir überhaupt nicht gerechnet haben, und letztlich ist es das, was zählt. Eine Kritik nach dem subjektiven Empfinden eines Hörers kann ich ganz wertfrei hinnehmen. Jeder Hörer hat Vorlieben und wir alle ticken nicht jeden Tag gleich. Unsere Musik kann deshalb unmöglich jedem gefallen. In der Folge ist mir sogar egal, wie niveauvoll die Kritik dargelegt wird. Für ein Feedback, das handwerkliche Schwächen offen legt, oder Dinge benennt, die wir beim nächsten Mal besser machen können, bin ich sogar dankbar.

Nicht zuletzt sollte wahrscheinlich jede Band eine gewisse Dickfelligkeit besitzen, gerade dann, wenn sich unter den Kritikern selbsternannte Musikerpolizisten, arrogante Klugscheißer oder gar bleichgesichtige Metal Geschmacksrichter, die die Zeit verpasst, haben wiederfinden. Mit Kritik muss immer gerechnet werden. Im normalen Leben ist es ja auch nicht anders. Kritisiert wird immer gern. Das Lob geht den Menschen schwerer über die Lippen.

… und nun geht Ihr groß auf Tour und kündigt alle Euer Jobs? (smile)

Wenn dies das Wirtschaftlichkeitslevel zulässt, würde das wohl jeder von uns sofort machen, aber leider sieht die Realität etwas anders aus. Ein gesichertes Einkommen mit dem man sich und die Musik finanzieren kann bleibt wohl vorerst notwendiges Übel. Den Großteil der Kollegen hätte man am Liebsten nie kennen gelernt, sämtliche Vorgesetzte sowieso nicht. So nagt an manch einem doch schon der Gedanke, ob es sich wirklich lohnt, bis zum Eintritt ins Rentenalter auf der Arbeit zu versauern oder sich seinem Ziel, es zu schaffen (was auch immer „es zu schaffen“ für einen bedeutet) total zu verschreiben.

Wie beurteilst Du denn allgemein betrachtet die Lage im Musik-Business oder auch speziell im Metal Bereich?

Ich denke alles läuft auf eine „Verbildisierung der Medien“ hinaus, möchte ich fast sagen. Fast Food ist in. Nur nicht nachdenken, sich nur keine tiefer gehenden Gedanken machen. Nichts Herausforderndes. Strengt doch nur an. Millionen Fliegen können doch nicht irren.

Ich denke, das „Direktmarketing“ ist die beste Möglichkeit heute unabhängig, autonom und ohne klassische Label Strukturen zu arbeiten. Das Direktmarketing bringt sowohl den Künstlern als auch den Konsumenten Vorteile: Die Künstler verdienen (hoffentlich) viel mehr daran, und die Konsumenten können einigermaßen sicher sein, dass das Geld bei den Künstlern direkt ankommt, und nicht in irgendwelchen aufgeblähten Konzernen versickert.

Seid Ihr gerne im Underground oder fühlt Ihr Euch da eingeengt und vielleicht sogar oft von engstirnigen Menschen in Eurer künstlerischen Freiheit beschnitten?

Persönlich bin ich der Meinung, dass der Underground sich unlängst immer mehr zum Overground entwickelt hat. Im Mainstream weiß man ja wenigstens, dass man für die Masse einfach gewisse Kriterien erfüllen muss. Man vertritt reaktionäre Inhalte und ist an einem kommerziellen Erfolg interessiert. Im Underground wird einem hingegen ja schon die künstlerische Qualität abgesprochen, wenn man sich Szeneabhängig etabliert, künstlerisch vom Genre abhebt oder kommerziellen Erfolg hat. Man hat den Eindruck, das bei den Vertretern der angeblich musikalischen Qualitätskontrollen nur noch „schneller – lauter – härter“ zählt, dieses aber für das Verständnis oder gar die Wertschätzung von Musik wenig ergiebig bis hinderlich ist. Nirgendwo anders als im Underground wird man derart reduziert und verglichen mit etablierten Genre Bands und an ihnen gemessen, so dass die musikalisch kreative Exklusivität vollkommen auf der Strecke bleibt.

Wie weit ist Euer Songwriting schon für ein neues Werk vorangeschritten, gibt es schon neue Songs?

Wir proben im Moment verstärkt das Live Programm. Ich kann aber verraten, dass wir kürzlich angefangen haben erste Songs für das kommende Album ´Anatomy Of Sadness´ zu proben. Weitere fortgeschrittene Ideen warten schon auf ihre Umsetzung.

Lust auf ein kleines Spiel, John, dann nenne mir einfach Deine fünf Alben für die Einsame Insel?

Cool, … auch wenn meine Bandkollegen da bestimmt anderer Meinung wären (smile)
1. Beatles – 1
2. Jethro Tull – Thick As A Brick
3. Katatonia – Great Cold Distance
4. Dream Theater – Scenes From A Memory
5. Symphony X – The Odyssey

Die fünf besten Lieder, um abends durchzudrehen?
1. Iced Earth – Stand Alone
2. Symphony X – King Of Terrors
3. Boston – Feelin´ Satisfied
4. Periphery – Scarlet
5. Yngwie Malmsteen – Heaven Tonight

Die fünf besten Lieder für die es sich lohnt, morgens aufzuwachen?
1. Van Halen – Jump
2. Survivor – Burning Heart
3. Earth Wind & Fire – September
4. Phil Collins – Easy Lover
5. Human League – Human

Die fünf besten Lieder, die meine Frau/Freundin nicht kennt?
1. Red House Painters – Have You forgotten
2. Ólafur Arnalds – Pú Ert Sólin
3. Anathema – Untouchable Pt.2
4. A.C.Newman – Prophets
5. Shinedowm – 45

Und nun zum Schluss, Deine letzten Worte?

Ich danke Dir für Dein in den Fragen sichtbar gewordenes Interesse an unserem Schaffen. Ebenso all den Hörern und Lesern, die sich mit dem AENEMICA-Sound beschäftigt haben. Hoffentlich sieht man sich auf einem unserer kommenden Konzerte!

Danke Dir. See you.

STRIKE! The Magazine – Interview

Aenemica Drummer John Sternberg about music, the buisness, arrogant smartasses and the underground.
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